Akzeptanz fördern – wie werden Mitarbeitende bei Veränderungen einbezogen?

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Einblicke aus Wissenschaft und betrieblicher Praxis

1 DIGITALE TRANSFORMATION UND AKZEPTANZ

 

Unternehmen stehen vor der komplexen Herausforderung, flexibel auf Veränderungen zu reagierenInsbesondere Prozesse der Einführung und Nutzung von KI-basierten Systemen zeigen, wie technische Innovationen direkten Einfluss auf Prozesse in Organisationen nehmen können. Neben den erhofften Potenzialen entstehen jedoch auch Unsicherheiten, die zu Vorbehalten und Skepsis seitens verschiedener Betroffener führen können und damit die digitale Transformation verzögern. Wir wollen schauen, ob und wisich soziologische oder psychologische Theorien in der Einführung von KI-Technologien in der betrieblichen Praxis der Region nutzen lassenZunächst wollen wir ein gemeinsames Verständnis  der aktuellen  Veränderungsprozesse selbst entwickeln sowie den Ursachen und Hintergründen von Unsicherheiten und Ängsten. 

2 WAS SAGT DIE WISSENSCHAFT?

 

Veränderungsprozesse und deren Eigenschaften 

 

Veränderungsprozesse in Organisationen (und übrigens auch in Gesellschaften) lassen sich als Diffusionsprozesse verstehen. Diffusion meint hier nicht nur die Verbreitung neuer Ideen oder Technologien, sondern vor allem einen Kommunikationsprozess: Menschen tauschen Informationen aus, bewerten sie und entscheiden, ob sie eine Innovation annehmen oder ablehnen. Eine Information wird somit über verschiedene Menschen und in Phasen diffundiert. Ein hilfreiches Orientierungsmodell wie solche Prozesse ablaufen, bietet der amerikanische Soziologe Everett Rogers (2003) mit seinem Innovations-Diffusionsmodell. Das Modell beschreibt fünf mögliche Phasen, die Menschen bei der Annahme einer Innovation durchlaufen: 

 

  1. Wissen – Sie erfahren erstmals von der Innovation. 
  2. Überzeugung – Sie entwickeln eine Einstellung dazu, positiv oder negativ. 
  3. Entscheidung – Sie wählen Adoption (=Annahme) oder Ablehnung. 
  4. Implementierung – Sie setzen die Innovation praktisch um. 
  5. Bestätigung – Sie prüfen ihre Entscheidung und passen sie gegebenenfalls an. 

 

In der folgenden Abbildung haben wir diese Phasen der Kommunikationsdiffusion dargestellt. Es zeigt sich, dass die ersten beiden Phasen vor der Entscheidung von Akzeptanz oder Widerstand entscheidend sind.  

 

Abbildung 1: Die fünf Phasen des Innovations-Entscheidungs-Prozesses. (Quelle: Wolf, C. (2022), S. 156)

 

Dabei spielen die Eigenschaften der Menschen, die dabei einbezogen werden, eine Schlüsselrolle. Ihre Persönlichkeit (z. B. Offenheit für Neues, Risikobereitschaft), ihre Gewohnheiten in der Kommunikation (wie und über welche Kanäle sie Informationen aufnehmen) sowie ihre sozioökonomischen Merkmale (wie Bildung, Beruf, Einkommen) beeinflussen maßgeblich, wie sie auf Veränderungen reagieren. Um passiven oder aktiven Entscheidungen der Ablehnung (oder auch Widerständen) wirksam vorzubeugen, sollten Verantwortliche frühzeitig über Veränderungsprozesse informieren, Beteiligungs- und Gestaltungsmöglichkeiten schaffen und Vertrauen aufbauen. 

Rogers’ Model stellt zudem Eigenschaften von Innovationsprozessen vor, welche für eine erfolgreiche Umsetzung berücksichtigt werden müssen:  

 

  • Relativer Vorteil oder auch der Mehrwert der Innovation muss klar vermittelt werden. 
  • z.B. Was bringt mir die Nutzung dieses KI-Systems wirklich? 
  • Kompatibilität mit bestehenden Systemen reduziert Widerstände. 
  • z.B: Kann ich es in bereits bewährte Arbeitsprozesse leicht und intuitiv integrieren? 
  • Komplexität der Innovation niedrig halten für besseres Verständnis und Akzeptanz. 
  • z.B. Verstehe ich es schnell? 
  • Beobachtbarkeit und Testung von Innovationen fördert Vertrauen und Akzeptanz 
  • z.B. Bewährt es sich langfristig? 

 

Unsicherheiten und Ängste bei KI-Technologien 

 

Veränderungsprozesse werden nicht allein durch rationale Argumente gesteuert, sondern sie sind auch soziale Prozesse. Insbesondere bei technologischen Neuerungen gehen sie häufig mit Unsicherheiten und Ängsten einher, welche berücksichtigt und gelöst werden müssen. Ein aktuelles Beispiel ist der Einführungsprozess von KI-Technologien. Eine Literaturanalyse von Kim et al. (2025) fasst wiederkehrende Ängste zusammen. Widerstandsfähige Teams nehmen Sorgen ernst und gehen offen mit psychologischen Bedürfnissen um. Zu den häufig genannten Befürchtungen gehören: 

 

  • Angst, ersetzt zu werden: Viele Menschen befürchten, dass KI-Systeme ihre beruflichen Fähigkeiten übertreffen und sie dadurch langfristig überflüssig werden, was ökonomische und soziale Unsicherheit verstärkt. 
  • Unkontrolliertes Wachstum und Kontrollverlust: Die zunehmende Autonomie komplexer KI-Modelle löst bei Nutzer*innen das Gefühl aus, nicht mehr nachvollziehen zu können, wie Entscheidungen zustande kommen.  
  • KI-Bias: Da KI auf bestehenden Datensätzen trainiert wird, reproduziert oder verstärkt sie gesellschaftliche Vorurteile, was bei Betroffenen die Angst schürt, ungerecht behandelt oder systematisch benachteiligt zu werden. 
  • Privatsphäre und Datenschutzbedenken: Die Nutzung sehr großer Datenmengen durch KI führt zu der Sorge, persönliche Informationen könnten missbraucht, unkontrolliert verarbeitet oder zur Überwachung eingesetzt werden. 
  • KI-generierte Des- und Falschinformation: Die Fähigkeit von KI-Systemen, überzeugende, aber falsche Inhalte zu erstellen, erzeugt Angst vor Desinformation, digitaler Manipulation und einer zunehmenden Unsicherheit darüber, was als vertrauenswürdig gilt. 

 

Praktische Ansätze aus der Wissenschaft zur Umsetzung 

 

Damit Veränderungsprozesse – und wie oben genannt die Einführung und Nutzung von KI-Technologien – akzeptiert und aktiv mitgestaltet werden, sind konkrete Beteiligungs- und Kommunikationsformen entscheidend. 

 

Beteiligung und Mitbestimmung 

 

  • Konsultation und Meinungsabfrage: Frühzeitige Einbindung durch Umfragen, Workshops oder Einzelgespräche. 
  • Ideenwettbewerbe und Think Tanks: Kreative Räume für Vorschläge und gemeinsame Lösungsentwicklung. 
  • Co-Creation Design: Mitarbeitende entwickeln neue Prozesse oder Produkte aktiv mit. 
  • Betriebsrat/Personalrat: Enge Zusammenarbeit mit den gewählten Interessenvertretungen. 
  • Erweiterte betriebsöffentliche Debatten: Transparente Diskussion wichtiger Weichenstellungen. 
  • Modernisierte Mitbestimmung: Anpassung klassischer Strukturen an digitale Beteiligungsformen. 

 

Change Communication 

 

Ein durchdachtes Kommunikationskonzept sorgt dafür, dass Informationen klar, mehrstufig und wechselseitig fließen. 

 

  • Abwärts gerichtete Kommunikation (vom Management zu den Mitarbeitenden): Zeitschriften und Broschüren, Aushänge, Rundschreiben, Intranet-Beiträge, Podcasts, Videos, E-Mails/Newsletter, Mitarbeiter- und Projekthandbücher sowie verbindliche Unternehmensrichtlinien. 
  • Aufwärts gerichtete Kommunikation (von den Mitarbeitenden zum Management): Befragungen, betriebliches Vorschlagswesen, internes Beschwerdemanagement. 
  • Interaktive Kommunikation: Digitale und persönliche Kanäle wie interne Social Networks, Mitarbeitenden-Apps, Instant Messaging, (Micro-)Blogs, Foren, Wikis sowie Management by walking around (also der direkte Austausch vor Ort) 

 

Begleitung und Standards 

 

Für die Einführung neuer Technologien, insbesondere von KI-Systemen, müssen Organisationen nicht bei Null beginnen. Stattdessen können sie auf bewährte Modelle zurückgreifen, die bereits erprobte Vorgehensweisen und Standards bereitstellen. Ein praxisnahes Beispiel ist die menschzentrierte Gestaltung und Einführung von KI-Systemen (Carrara et al., 2024). Dieses Vorgehen legt den Fokus auf den Menschen: Von der Analyse der Arbeitsprozesse über die Gestaltung nutzendenfreundlicher Systeme bis hin zur Implementierung. Ziel ist es, Akzeptanz zu fördern, Transparenz zu sichern und ethische Standards zu wahren. 

Abbildung 2: Vorgehensweise einer menschenzentrierten Gestaltung und Einführung von KI-basierten Systemen. Quelle: Carrara et al., 2024. S. 45

In der Abbildung wird ein exemplarischer Prozess der menschzentrierten Einführung von KI-Systemen konzeptionell dargestelltDieser Prozess wird immer wiederholt, da stets Anpassungen im Unternehmen stattfinden. 

3 WAS SAGT DIE PRAXIS?

 

Wir haben im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zu Kompetenzen der Zukunft zwei Unternehmen aus Sachsen nach ihren Erfahrungen zum Thema Akzeptanz befragt. Folgende Beispiele wurden hierbei kurz erläutert:  

 

Betriebliche Ansätze zur Akzeptanz von Qualifizierungsmaßnahmen 

 

Unser erstes Praxisbeispiel ist die Vitesco Technologies Germany GmbH mit 1200 Mitarbeitenden im Bereich Fertigung von Dieseleinspritzsystemen und Turboladern. Einzelne Bereiche und Abteilungen des Standorts übernimmt im konzernweiten Innovationsprozess zunehmend die Rolle der zentralen Koordinierung und Entwicklung. Im Rahmen der KI-Nutzung werden insbesondere Bildanalyse- und Mustererkennungsverfahren zur Bauteilbegutachtung, Entscheidungsunterstützungssysteme für Produktions- und Qualitätsmitarbeitende sowie Maschinenzustandsbenachrichtigungen zur Instandhaltung und Prozessoptimierung eingesetzt. Die Umsetzung dieser Technologien erfordert jedoch lokale Anpassungen, da viele KI-, Cobot- und IoT-Anwendungen nicht vor Ort entwickelt werden. 

 

Im Gespräch besonders prägnant war das folgende Zitat des Managers für Data, Analytics & AI: 

“Wenn Erde einmal verbrannt ist, [ist es] schwer wieder Mitarbeitende einzuholen.“

 

Hier zeigt Herr Päßler, wie entscheidend es ist, Widerständen auf betrieblicher Ebene konkret 

 zu begegnen und auch in Change Management-Prozessen mitzudenken. Um Akzeptanz zu fördern, müssen Veränderungsprozesse menschzentriert gestaltet, Ängste adressiert und Vorteile transparent kommuniziert werden. Eine offene, partizipative Kommunikation und technische Schulungen für Mitarbeitende und Führungskräfte bilden hierbei Erfolgsfaktoren. Grundlage für den gesamten Digitalisierungsprozess ist der systematische Aufbau einer belastbaren Datenbasis, welche Finanz-, Produkt- und Prozessdaten integriert und somit die technischen Voraussetzungen für zukünftige Innovationen schafft. Konkret heißt das in diesem Unternehmen, dass die Akzeptanz der Mitarbeitenden gefördert wird, indem in Change Management-Prozessen festgehalten wird, dass direkt kommuniziert wird, top-down die Einführung von neuen Technologien mitgeteilt wird und auch durch dezidierte Fachkräfte gefragt wird, wie die Einführung von bestimmten Technologien ankommt. In den Schilderungen von Herr Päßler zeigen sich Ansätze aus der Change Communication, welche strategisch im Unternehmen verankert wird. Zudem zeigt sich auch eine iterative, menschzentrierte und problemorientierte Vorgehensweise.  

 

Einführung von Kameras und visuelle Unterstützung von Arbeitsschritten bei Montage 

 

Den zweiten Einblick in die Praxis haben wir von einem IT-Beauftragten in einem Unternehmen mit 400 Mitarbeitenden erhalten. Dieser Betrieb ist zuständig für die Fertigung und Montage von Karosserieteilen für den Fahrzeugaußenbereich, insbesondere Stoßfängersysteme und Außenverkleidungen für PKW und LKW. Im Rahmen der digitalen Transformation wurden dort zwei zentrale Anwendungsfälle umgesetzt: die Einführung von Kameras zur automatisierten Oberflächenüberprüfung sowie die visuelle Unterstützung, Prüfung und Hilfestellung bei Arbeitsschritten in der Montage. Diese Maßnahmen dienen der Qualitätssicherung und Prozessoptimierung, stellen jedoch hohe Anforderungen an die Qualifizierung der Mitarbeitenden. Insbesondere sind flexible, produktionsbegleitende Schulungs- und Weiterbildungsangebote erforderlich, die ergonomisch und prozessual sinnvoll eingebunden werden. Da Anlernprozesse in der Produktion häufig durch Zeitmangel, hohe Komplexität und ständige Veränderungen erschwert werden, gewinnt eine strukturierte und mehrsprachige Wissensvermittlung zunehmend an Bedeutung. Zur erfolgreichen Umsetzung wurden Mitarbeitende durch ein Managementteam umfassend über die Digitalstrategie informiert und ein „Fairness Team“ etabliert, das Ängste vor Arbeitsplatzverlust adressiert. Durch persönliche Gespräche, Feedbackrunden und angepasste Schulungsformate wird Vertrauen geschaffen und die Akzeptanz neuer Technologien nachhaltig gestärkt. 

 

„Präsenz zeigen ist wichtig. Sich Feedback einholen und dann darauf zu reagieren, das zeigt Mitarbeitenden den Wert einer solchen Veränderung und gibt Sicherheit.“

4 FAZIT

 

Diese Einblicke zeigen, dass eine Anpassung und Übertragung von wissenschaftlich fundierten Vorgehensweisen, Kommunikationsstrategien und Rahmenwerken in die betriebliche Praxis bereits erfolgreich umgesetzt wird. Die Durchführung bleibt jedoch komplex und wird von internen und externen Faktoren beeinflusst. 

 

Im ersten Unternehmen zeigt sich, wie wichtig eine organisationale Change Management-Strategie über alle Unternehmensebenen ist. Transformation ist in diesem Unternehmen ein Prozess, der auf allen Ebenen des Unternehmens gelebt wird. Damit das gelingt, ist entscheidend, dass das Top-Management klare Impulse setzt, etwa indem es für die Transformation ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stellt oder die Kommunikation fördert. Mitarbeitende sollten die Möglichkeit erhalten, Rückmeldung zu geben und Vorschläge zu machen. Kurz: Das Management sollte eine Atmosphäre des Miteinanders fördern (Fraunhofer IAO, 2025). Das zweite Unternehmen zeigt hingegen die Bedeutung einer offenen Organisationskultur mit der konkreten psychologischen Ansprache von Ängsten. Die Angst vor Überwachung wird in ihrem Beispiel direkt adressiert. Durch transparente Kommunikation sowie gezielte Qualifizierung ist es möglich, Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen. Eine kontinuierliche Erfassung der Bedürfnisse, Ängste und Wünsche der Mitarbeitenden in konkreten Umfragen und Mitarbeitendengesprächen sowie eine transparente Kommunikation über das Warum oder das Wie können dazu beitragen, eine offene Kultur für Feedback zu schaffen. Probleme werden frühzeitig erkannt und gelöst. Für den Unternehmenserfolg werden neue Produkte, adaptive Prozesse und eine veränderte Art der Zusammenarbeit gebraucht. Diese Zusammenarbeit verknüpft die Technologie, Kompetenzen und Marktanforderungen eng miteinander. 

 

5 REFERENZEN

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